"Ahoi!"

Es war in den siebziger Jahren, als ich täglich die breite Mündung der Ems zwischen Ditzum und Petkum mit der kleinen Autofähre überquerte. Diese Überfahrten gestalteten sich, je nach wechselnden Passagieren, immer wieder überraschend und interessant. So reifte in mir der Plan, irgendwann mal alle Binnenfähren in Deutschland zu dokumentieren. Es vergingen allerdings dreißig Jahre, bis ich dieses Projekt in den Jahren 2001 bis 2005 endlich realisieren konnte.

Mein Interesse als Kommunikationsfachmann lag zunächst darin, Menschen zu beobachten und mitzuerleben, die während einer nur wenige Minuten dauernden Flussüberquerung eine Schicksalsgemeinschaft eingehen. Während der Arbeit an diesem Projekt und in Folge meiner Gespräche mit den Fährleuten eröffneten sich jedoch noch ganz andere Aspekte. Mir wurde zum ersten Mal klar, welch große Rolle Fähren bei der Überwindung von natürlichen Grenzen spielen. Meere, Flüsse oder große Seen grenzten seit alters her ganze Völker und Kulturen voneinander ab. Gewässer bildeten Grenzen des Handels, des kulturellen Austauschs und der Sprachen.

Aber die Neugier auf das Unbekannte, das am anderen Ufer sein könnte, hat die Menschen schon immer bewegt. Dort, wo Flüsse flach genug waren, um sie problemlos zu durchwaten, bekam diese topografische Besonderheit eine solche Bedeutung, dass an diesen Furten frühgeschichtliche Handelsplätze entstanden; Stadtgründungen, die ihre wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung häufig bis heute erhalten haben. Heute finden wir am Rhein noch Fährverbindungen, die seit über 2000 Jahren urkundlich belegt als Gründung der Kelten gelten.

Erst mit der Fähigkeit, Boote zu bauen, wurde es möglich, die bis dahin unüberwindlichen Gewässer an fast jeder beliebigen Stelle zu überqueren. Der Gebrauch von Booten bedeutete für die Anwohner an Flüssen und Seen nun nicht nur die Möglichkeit des Nahrungserwerbs durch den Fischfang mit Netzen. Durch Schiffe ergab sich, gegen Zahlung des Fährgeldes, auch die Möglichkeit der komfortablen Flussüberquerung für durchreisende Händler. Der Fährmann, der sein Fährboot beherrschte, kannte die Tücken der Strömung. Sein Berufsgeheimnis waren die Untiefen und Klippen, und er wusste darüber Bescheid, was den Durchreisenden am anderen Ufer erwartete. Er wurde zur geheimnisvollen, zur mythischen Gestalt.

Zurzeit gibt es in Deutschland noch über 300 Fährverbindungen. Das sind moderne Autoschnellfähren, die im Dauerbetrieb bei Tag und Nacht den Autoverkehr auf Bundesstraßen befördern. Das sind aber auch kleine, frei fahrende Personenfähren, an Seilen oder mit Rudern betriebene Selbstbedienungsfähren oder klassische Gierfähren: "Fliegende Brücken", die ohne eigenen Antrieb allein durch die Flussströmung von einem Ufer zum anderen getrieben und gesteuert werden.

Die Bilder der individuellen Schiffstypen und der schönen deutschen Flusslandschaften waren so beeindruckend, dass ich meinen ursprünglichen, eher einengenden Ansatz verwarf und mir dieses Projekt als fotografische Dokumentation und erzählende Momentaufnahme aller Binnenfähren vollauf genügte. Meine sinnlichen Eindrücke, die Erlebnisse an den Fährstellen und ganz besonders die interessanten Gespräche auf den Fähren bestimmen jetzt die hier gezeigte Arbeit.

Das waren vier erlebnisvolle und lehrreiche Jahre ? ein wichtiger und erfüllter Abschnitt in meinem Leben. Auf jeder Fähre wurde meinem Projekt großes Interesse entgegengebracht, und die Freundlichkeit der Fährleute bleibt mir in guter Erinnerung. So verstehe ich diese Veröffentlichung im Internet nicht nur als eine Dokumentation eines scheinbar unbedeutenden Randbereichs unserer Alltagskultur. Sie soll vielmehr Ausdruck meines herzlichen Dankes und meines Respektes vor der Arbeit aller Fährleute sein.